»Souveränität höherer Ordnung«

Als Coach habe ich meinen Weg gefunden, einen Beitrag zum gelingenden Leben zu liefern. Dabei komme ich ursprünglich aus dem Politikbetrieb, bzw. dem Öffentlichen Dienst, der wiederum politisch geführt wird. Leadership dort wird seit jeher sehr hierarchisch verstanden und gelebt. Oldschool, gewissermaßen. »Stark sein. Sagen, wo es langgeht,« wäre eine Kurzformel für das Selbstverständnis politischer Leader. Und wohl auch für das Selbstverständnis einer Mehrzahl von Leadern im klassischen Business. Ein spannendes Interview, was die taz mit dem Tübinger Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen an diesem Wochenende veröffentlicht, bezeichnet dieses Führungsverhalten als »Souveräntiät erster Ordnung.« Dass dies nicht mehr zeitgemäß ist und wohl ohnehin nur einer krassen Verkürzung von verantwortlichem Denken und Handeln geschuldet, ist die Quintessenz moderner Leadership-Konzepte, wie sie u.a. von Simon Sinek, Bob Chapman oder auch Richard Sheridan verkörpert werden.

In Ihrem Buch Kommunikation als Lebenskunst bezeichnen Pörksen und sein Kollege Friedemann Schulz von Thun das Selbstverständnis zeitgemäßer Leader als »Souveränität höherer Ordnung«. Diese wolle, so Pörksen gegenüber der taz, „Autorität mit der normalen Menschlichkeit verbinden. (…) [D]ies in dem Wissen, dass das Konzept des Helden (…) ohne Schwäche undenkbar und unter den aktuellen Medienbedingungen ohnehin nicht durchhaltbar ist.

Pörksen beklagt „eine Krise der Narrative in der Mitte der Gesellschaft“, welche aus der „Unfähigkeit der Parteien der Mitte“ resultiere, „über Alternativen des Denkens und Handelns zu diskutieren“.

Richard Sheridan ist Gründer des Softwareunternehmens Menlo Innovations. Menlo ist eine der Erfolgsgeschichten aus Raj Sisodias Buch The Healing Organization, welches sich der Beschreibung ganzheitlicher Führungskonzepte für Unternehmen und die Wirtschaft im Allgemeinen widmet. Sheridan hat erkannt, dass die Fokussierung auf eine positive und verbindende Vision im Interesse einer sinnstiftenden, uneigennützigen Idee (Purpose) zentral für das Leadership zur Bewältigung von Herausforderungen ist.

chief_joy_officerNarrative, Storytelling, sind ein wesentliches Element in der Führung. Chief Storyteller ist folgerichtig die Selbstbezeichnung, die Sheridan sich bei Menlo gegeben hat. „Werde zum Storyteller“ lautet seine Empfehlung in seinem neuen Buch „Chief Joy Officer„. Nicht allwissend und unfehlbar muss ein Leader sein, sehr wohl aber empathiefähig und in der Lage, durch Bezugnahme auf Geschichte(n) Werte und Emotionen zu transportieren, die den von ihm/ihr geführten Menschen helfen, Lösungen für die vor anstehenden Herausforderungen zu finden.

Angela Merkels „Wir schaffen das“ war insofern ein Beispiel für klassisches Führungsverhalten, als es zwar eine konstruktive und positive Grundthese kommuniziert hat, diese jedoch nicht in ein Narrativ eingebettet wurde und daher zuletzt vielfach als „Zumutung“ und „Erwartung“ empfunden und emotional abgelehnt wurde. „Wir müssen …“, „ich habe einen Plan, …“ lauteten die Sätze, die apodiktisch und alternativlos klangen. Hierarchisches Führungsverhalten ist nicht geeignet, Mitverantwortlichkeit zu bewirken. Wenn Alternativlosigkeit verordnet wurde, hat tatsächlich auch keine Übernahme von Mitverantwortung stattgefunden, weil die Entscheidung über die Lage bereits fest stand, bevor die Führung diese Lage kommuniziert hat.

Moderne Führung schildert die Lage und gibt eine Diskussion über die Einschätzung der Situation frei. Dann sind es die Werte des Teams oder der Gesellschaft, welche eine Entscheidung nahe legen. Ob die Gruppe eine Entscheidung in Anerkennung der eigenen Werte oder in ihrer Verleugnung trifft, ist die eigentliche Frage, die von der modernen Führungskraft natürlich mitbeeinflusst werden kann, aber niemals vorweg genommen werden sollte.

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