Arbeitgeber haben das Recht, von krankheitsbedingt abwesenden Arbeitnehmern bereits vom ersten Tag an die Vorlage eines ärztlichen Attests zu verlangen. Das hat das Bundesarbeitsgericht in Erfurt entschieden. Zwar ist dies keine Plattform zur Diskussion juristischer Probleme. Wohl aber ein Ort, an dem Möglichkeiten aufgezeigt werden, den (betriebswirtschaftlichen) Erfolg von Unternehmen durch einfache aber wirkungsvolle Führungsprinzipien zu steigern. Wenn ein Unternehmen (auch ein öffentlich-rechtlicher Sender) seinen Mitarbeitern abverlangt, Krankheit nachzuweisen, ist dies kein arbeitsrechtliches Problem. Es ist ein Problem der Führung.
Natürlich ist es ein Alarmzeichen, wenn sich Fehlzeiten von Arbeitnehmer häufen. Es geht ihnen nicht gut, sonst würden sie an ihrem Arbeitsplatz erscheinen. An dieser Stelle auf eine Bescheinigung zu pochen, die das bestätigt, verdeutlicht jedoch, dass es dem Arbeitgeber mehr um sein Recht geht als um seine Pflicht. Gemeint ist die Fürsorgepflicht, die jeder Arbeitgeber übernimmt, wenn er einen Mitarbeiter einstellt. Diese Pflicht beinhaltet die Abwägung, ob die betreffende Kraft die richtige Besetzung für die zu erledigende Aufgabe ist.
In dem Moment, wenn eine Person sich krank meldet, gibt es zwei Möglichkeiten: entweder ist sie tatsächlich erkrankt und dadurch arbeitsunfähig. Welchen Sinn sollte es haben, die Person zum Arzt zu schicken, damit er das Offensichtliche bestätigt? Keinen! Oder die Person ist organisch gesund, fühlt sich aber nicht in der Lage oder ist nicht gewillt, die übergragene Aufgabe zu erledigen. Auch dann ist es sinnlos, ein Attest zu verlangen. Das könnte sich die Führungskraft selbst bescheinigen: der oder die Mitarbeiterin ist nicht die richtige Besetzung für die Aufgabe. Wer ist dafür verantwortlich? Die Kraft, die ich als Verantwortlicher eingeteilt habe? Das Oxymoron dokumentiert es: ich bin als Führungskraft selbst verantwortlich.
Entweder meine Personalentscheidung war von vornherein falsch, weil die Person eben nicht geeignet war, die Aufgabe zu erfüllen (etwa, weil sie keinen Bezug dazu entwickeln konnte). Oder weil es mir entgangen ist, dass die Umstände einer an sich passenden Aufgabe für eine qualifizierte und motivierte Kraft geändert haben, ohne dass es mir auffiel. Auch diesem Fall ist nicht die Person verantwortlich, die sich anschliessend krank gemeldet hat. Ich bin verantwortlich, da es meine Aufgabe als Führungskraft ist, permanent zu bemessen, wer welche Aufgabe in welcher Weise bewältigt. Hakt es an einer Stelle, kann ich mir wünschen, dass meine Mitarbeiter proaktiv sind und mir mitteilen, dass es hakt. Aber einen Anspruch darauf habe ich nicht. Ich muss und will es selbst sehen (wollte ich es nicht, wäre ich keine Führungskraft, sondern bestenfalls ein Monitor, der das offensichtliche meldet).
Also ist es sinnlos, meine Mitarbeiter zu verdonnern, dass sie mir einen gelben Schein vorlegen, wenn sie krank sind. Es sind erwachsene Menschen, die selbst wissen, wann es ihnen nicht gut geht. Und wenn sie nicht zur Arbeit kommen wollen, geht es ihnen nicht gut. Und das muss ich als Führungskraft und Unternehmer erkennen und rechtzeitig gegensteuern. Eine ärztliche Bescheinigung zu verlangen, ist nicht gesund!
PS: Sie wissen nicht, wie Sie verlässlich herausfinden können, welche Mitarbeiter welche Aufgabe übernehmen können? Ein Fall für Derale Consulting!
Danke für den tollen Bericht.
Ein Vorgesetzter (zumindest in größeren Teams / Unternehmen) hat da sicherlich gute Möglichkeiten. In kleinen Unternehmen ist das nicht ganz so einfach, aber auch machbar …
Neben der Führungskraft liegt es aber auch in der Verantwortung des einzelnen sich selbst auch um einen „Job“ zu kümmern, der seinen Talenten und Stärken entspricht.
Das stimmt, Oliver. Diese Verantwortung bringt jeden von uns in die Position einer Führungskraft – nämlich für uns selbst.
Ich bin deshalb soooo froh, dass ich das nicht mehr brauche. Mein letzter Arbeitgeber wollte sogar eine Gesundschreibung von meinem Arzt, nachdem ich 3 Monate ausgefallen war (hatte auch oben schon erwähnte Gründe)
Selbst Führungskraft und „sein eigener Chef“ zu sein kann man lernen – und das macht Spaß.